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Einige Gedanken zu E.J.D. und seinem BDG

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Der Artikel von G. Gunderam über das Blackmar-Diemer-Gambit in Rochade Nr. 143 hat mich interessiert.
Als ich zum ersten Male (als Nachziehender) mit diesem Gambit in Berührung kam, wurde ich - auch bedingt durch das Überraschungsmoment - regelrecht vom Brett gefegt.
Danach hatte ich durch kurze Einsichtnahme in Diemers Buch "Vom ersten Zug an auf Matt!" Gelegenheit, die Vielfalt der im BDG auftretenden Varianten kennenzulernen, was mich, das darf ich offen gestehen, faszinierte, da ich selber "von Haus aus" ein Kombinationsspieler bin (Leider werde ich durch die Spielweisen meiner Gegner aber oftmals zur Positionsschieberei verurteilt).
Animiert durch die aus meiner Sicht oft halsbrecherischen, aber verblüffend schönen BDG-Kombinationen, versuchte ich im Jahre 1969, mit SF Diemer in Verbindung zu kommen, was sich in einer Korrespondenz niederschlug, die etwa ein halbes Jahr währte.
Daß wir dieselbe dann im gegenseitigen Einvernehmen abbrachen, hatte seinen Grund.
SF Diemer konfrontierte mich in seinen Briefen mit Dingen, die mit dem Schachspielen nichts zu tun haben; er offenbarte sich mir als eine Art "wissenschaftlicher Hellseher" und versuchte, mich für seine Ideen zu interessieren bzw. - um es etwas humorvoll auszudrücken - als Beifallklatscher zu gewinnen. Ich hatte Mühe, seinen " hohen Gedankengängen" zu folgen, was man sicher verstehen wird, wenn man nachstehende Zitate, die ich aus seinen Briefen herausgepflückt habe, liest:

Auszug aus Brief vom 19.06.69:

... Ich begann mich fast völlig zu konzentrieren auf das Studium von - PROPHEZEIUNGEN!!...
Vor jetzt genau 8 Jahren, am 18. Juni 1961, entdeckte ich das 23-GESETZ-79=102 des NOMEN=57
=OMEN-44=101:
    DIE-18-ZAHL-45-MENSCH=59=122=325
Ich TESTE und DEUTE also ALLE NAMEN mittels den 25 Buchstaben:
A+B+C+D+E+F+G+H+I
1+2+3+4+5+6+7+8+9=45=ZAHL=45=KERN=45
               +K=10
                  55=NULL=55=PUDEL=55=SIEGEL-45
                     DEMASKIERT   =100=Mephisto
                     L+M+N+O+P+Q+R+S+T
                 135=11+12+13+14+15+16+17+18+19
                     U+V+W+X+Y+Z
                 135=20+21+22+23+24+25
                 325
Ich berechne also damit die L E B E N - ZAHL!!
... Also ANGLOISE FLOTTE (die Heuschrecken-Luft-Lande-Truppen!!) VIENDRA SOUS LA BRUINE
UN RAMEAU PRENDRE (steht für die WIEDERVEREINIGUNG), DU GRAND OUVERTE GUERRE.
...
128 = M A O T S E T U N G
117 = ENDE - 27 - FEUER - 53 - TOD - 37

133 = DIE - 18 - HEUSCHRECKEN - 115
181 = ENDE - 27 - LEBEN - 36 - TOD - 37 - WASSER - 81
221 = STURZ - 99 - MOND - 43 - in die OSTSEE - 79 = 221 = die Vision:
535 = DER - 26 - PRINZ - 79 - VON - 48 - Dänemark-68 = 221
      DER - 26 - REST - 59 - IST - 46 - SCHWEIGEN - 90 = 221 = DAS
    meint das MENE - 35 - MENE - 35 - TEKEL - 50 - UPHASIN - 101...


Auszug aus Brief vom 8.10.69:

... Nun zu MEINEM H a u p t-ANLIEGEN, zu den "ZAHLEN-Spielereien", WIE S i e SCHREIBEN!
D a s SIND k e i n e "SPIELEREIEN"!
ICH BIN von ANFANG an d i e s e DINGE STRENG "WISSENSCHAFTLICH" herangegangen! Natürlich STAND am ANFANG, w i e BEI jeder "ERFINDUNG!!" - I N S P I R A T I O N + I N T U I T I O N + VISION (o h n e DIE ja k e i n D I C H T E R SEINE unsterblichen WERKE s c h a f f e n KÖNNTE!). ICH m a c h t e also eine ENTDECKUNG: ICH f a n d als S U M M E der 25 Buchstaben unseres ALPHABETS: ...


Auszug aus Brief vom 29.10.69:

... TRANCEZUSTAND = 158 = DAS - 23 - ALPHA - 36 - UND - 37 - DAS - 23 - OMEGA - 39 = 360
Ich schrieb einige ZIFFERN untereinander, HERAUSKAM: 101 = DIE SUMME: 1+2+3+5+7+11+13+17+19+23 DIE h i n f ü h r t (DAS w e i s s ICH!!) ZU: 200 = DIE - 18 - LETZTE - 84 - PRIM - 53 - ZAHL - 45...


Auszug aus Brief vom 20.11.69:

... SIE m ü s s e n doch ZUGEBEN: SO e t w a s KANN m a n NICHT s u c h e n, und NICHT er-FINDEN, sondern NUR - F I N D E N !! DANK I N S P I R A T I O N und I N T U I T I O N !! GENAU so, WIE i c h ALLE m e i n e GROSSEN K O M B I N A T I O N E N "gefunden" HABE!! ALSO, b i t t e LESEN S i e NOCHMALS g e n a u MEINEN l e t z t e n BRIEF, vor ALLEM d a s, WAS i c h ÜBER die MÖGLICHKEITEN d e r "C O M P U T E R" geschrieben habe!!
D A R U M bin ICH sooooo ENT-t ä s c h t über IHREN B r i e f !!
SIE s e l b s t SCHRIEBEN von I h r e r ARBEIT mit C O M P U T E R N ! Und Ich wurde DADURCH inspirieret, IHNEN z w e i A U F G A B E N zu STELLEN, d i e SIE b e i d e mit HILFE I h r e s C O M P U T E R S LÖSEN k ö n n e n - und WERDEN!! D a r a u f KONNTE, DURFTE, MUSSTE ICH m i t einer A N T W O R T Ihrerseits RECHNEN!! Und Sie gaben - K E I N E !! Ja, SIE erwähnten in I h r e m BRIEF n i c h t EINMAL m e i n e ANREGUNGEN !! W A R U M ??
SIE v e r s t e h e n, DASS i c h HEUTE am SCHACH n u r als "MITTEL zum ZWECK" interessiert bin, MICH mit SCHACH-Freunden über m e i n e "BERECHNUNGEN" zu unterhalten!! Die doch WICHTIGER sind als das g a n z e SCHACH !!
DARUM (n u r DARUM !!) schrieb ich IHNEN immer wieder, zuletzt per EINSCHREIBEN !!... FÜR mich ist es UN-verantwortlich, über SCHACH zu korrespondieren!!...


Jeder dieser Briefe hatte einen Umfang von vier bzw. fünf Seiten, und es machte wirklich Mühe, diese zu "lesen".
Ich darf heute behaupten, daß diese Korrespondenz die seltsamste ist, die ich jemals erhalten habe. Um diesen unwissenschaftlichen Wirwarr nicht weiter auf mich einströmen zu lassen, beendete ich damals den Briefwechsel mit SF Diemer, den ich als Schachmeister nach wie vor schätze, auch wenn heute die Inkorrektheit des BDG allein dadurch bewiesen sein sollte, daß dieses Gambit auf Großmeisterturnieren überhaupt nicht zur Anwendung kommt. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, daß sich jemals ein IGM dieses Gambits bedient hätte. Doch will ich mich gerne belehren lassen, falls es anders ist.
Durch mehrere kompetente Schachfreunde, mit denen ich Gelegenheit hatte, über SF Diemer zu sprechen, weiß ich heute, daß D. seit langem in deutschen Meisterkreisen gern gemieden wird, und daß auch Verlage in der BRD kaum geneigt sind, seine Werke zu drucken (Das mir damals zugänglich gewesene Buch war in Holland verlegt worden).
Vielleicht - so glaube ich erkannt zu haben - ist die Art, wie SF Diemer mit seinen Partnern korrespondiert, und wie er seine Texte in Schachbüchern oder -zeitschriften abfaßt, die er allzu gern mit vielen Ausrufezeichen (!!!) bestückt, nicht für jedermann gut zu lesen, tragen diese doch oft egozentrische Züge ("mein Gambit", "mein BDG-Schüler" usw).

Um aber auf das Gambit selbst zurückzukommen, so muß ich gestehen, daß ich es in einer ernsten Partie noch nicht angewendet habe. Bei uns in der Bezirksliga Frankfurt (Oder) haben wir nur einen einzigen Schachfreund, der ständig auf dieses Gambit zurückgreift und damit auch beste Erfolge erzielt hat. Ich selbst hatte mich als Schwarzer, eben gegen diesen Freund, bislang viermal des BDG zu erwehren und habe erkannt, daß dem Weißen der "Giftzahn" gezogen ist, wenn Schwarz nicht auf f3 schlägt, sondern vorbeizieht, etwa mit folgendem Aufbau:
1. d4 d5 2. e4 de: 3. Sc3 Sf6 4. f3 e3 5. Le3: e6 mit den weiteren schwarzen Eventualzügen 6. - Le7, 7. - Sbd7, 8. - b6, 9. - Lb7.
Seitdem jedenfalls konnte mir das BDG (bezogen auf die wenigen Male der Anwendung) nichts mehr anhaben, was auch ein Grund dafür ist, daß ich es als Weißer bisher nicht in meine Spielpraxis übernommen habe.
Trotzdem habe ich mir jetzt durch einen in Bietigheim/Württ. wohnenden netten Cousin Diemers neues Buch "Das moderne Blackmar-Diemer-Gambit" schenken lassen, und ich werde sicher viel Freude beim Nachspielen der Partien empfinden und mich vielleicht doch noch dazu animieren lassen, dieses Gambit hin und wieder anzuwenden. Um allerdings brillante Erfolge damit zu erzielen, müßte ich eben so gut wie Meister Diemer spielen können. Aber vielleicht kann mir SF Diemer schon vorab den Rat geben, wie ich mich denn bei 4. - e3 verhalten soll, denn ich finde, nach 5. Le3: steht der weiße Läufer nicht besonders gut (Da ich das Buch noch nicht durchgesehen habe, kann ich nicht sagen, ob SF Diemer diese Möglichkeit schon erfaßt hat).

Ich bin dem SF E.J. Diemer durchaus nicht gram, daß mein damals beabsichtigter BDG-Schriftwechsel durch seine Initiative in einen solchen mit "Prophezeiungen" abgeglitten ist, und ich kann aus der durch die Korrespondenz gewonnenen Erkenntnis nur ableiten, daß SF Diemer ein bedauernswerter Mensch ist.
Als begeisterter Schachfan, der die Schönheit der Kombination über alles stellt, werde ich vor seinen schachlichen Leistungen, auch wenn das BDG nicht den Gütestempel der Vollwertigkeit trägt, aber immer den Hut ziehen.


Horst Ewald


(Orthographie korrigiert, Stilistik und weitgehend auch die Formatierung entsprechen der Quelle - Anm. d. A.)

Ergänzungen d. A.:

  1. Ob Diemer "in deutschen Meisterkreisen gern gemieden" wurde, ist durch andere Quellen bisher nicht belegt.
    Richtig ist vielmehr, daß Diemer von Ende 1953 bis zum 04.06.1971 durch den Deutschen Schachbund für jeglichen Spielverkehr gesperrt war! Dies erklärt auch, warum Diemer in diesem Zeitraum nur auf ausländischen Schachturnieren zu sehen war...
  2. Es gibt keine Diemerschen "Werke"; 1955/56 gab er die kleine Zeitschrift "Die Blackmar-Gemeinde" im Eigenverlag heraus, und 1957 erschien sein einziges Buch "Vom ersten Zug an auf Matt!" bei W. ten Have in Amsterdam.
    Alle anderen BDG-Titel sind entweder deutsche Nachauflagen (drei Nachauflagen beim Schachverlag Rudi Schmaus!) oder eigenständige Veröffentlichungen dritter Autoren, wenn auch als Teil der BDG-Quadrologie.
    Von einer Abneigung deutscher Verlage hinsichtlich der Herausgabe der BDG-Titel kann nicht gesprochen werden.
  3. Obige Brieffragmente stammen aus einer Zeit, die sich mit "Diemers schachliche Dämmerung" - etwa zwischen 1961 und 1971 - recht gut beschreiben läßt, in Diemers Schachkarriere ein Totalausfall!

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